Was hindert Virtual Reality aktuell noch am Markt-Durchbruch?

Als Oculus Rift im Jahr 2013 nach einer erfolgreichen Kickstarter-Kampagne seinen Crowdinvestoren die ersten Development Kits auslieferte, war erzielte Aufsehen in der Computergrafiker-Szene sehr hoch. Erstmals war es einer breiten Masse an Nutzern möglich Computerwelten von "innen" zu sehen, als ob man ein Bestandteil einer computergenerierten Szene war. Der Eindruck war trotz einiger Einschnitte überwältigend. Das Gefühl der Immersion übertraf bislang dagewesene Technologien wie aufwendige Cube-Systeme und Shutter-Brillen - das Gefühl für Tiefe, Höhe, Bewegung und Beschleunigung wär phänomenal.

Mit dem Technologie-Schritt entstand ein gewaltiger Hype. Viele prognostizierten basierend auf den ersten Eindrücken dem Virtual Reality Markt eine grenzenlose Zukunft, die vergleichbar mit der Marktentwicklung des Smartphones mit Touch-Displaybedienung sein würde.

Dadurch wurden immense Erwartungen geweckt. Jedoch wurden auf Seiten der Profianwender viele Schwachstellen vorläufig in Kauf genommen, die für den breiten Consumer-Markt unmittelbar inakzeptabel erscheinen.

Dennoch wurde der Hype von den Medien aufgegriffen und in allen gängigen Newsseiten, Zeitungen und im Fernsehen verbreitet.

Der Hype-Zyklus

Nun ist Virtual Reality nicht die erste neue Technologie, die dem Hype und den entstandenen Erwartungen nicht gerecht wurde. Ganz im Gegenteil. Wir erleben den gleichen Ablauf immer und immer wieder. Der 2007 verstorbene Zukunftstechnologien-Forscher Roy Amara brachte es mit folgender Aussage auf den Punkt: "Wir neigen dazu, die kurzfristige Wirkung einer Technologie zu überschätzen und die langfristige Wirkung zu unterschätzen."

Der sogenannte Hype-Zyklus durchläuft mehrere Phasen. Bestandteil der ersten Phase ist ein signifikanter technischer Durchbruch, der auf beachtliche Aufmerksamkeit des Fachpublikums stößt. Diese Aufmerksamkeit springt auf eine breite Masse der Öffentlichkeit über.

In der nächsten Phase treten deutlich überzogene Erwartungen auf. Teilweise entstehen dabei sogar sehr übertriebene und unrealistische Erwartungen, die sich in der Form wie vorgestellt gar nicht erfüllen lassen, da es zu viele Anfangsschwierigkeiten im neu entstanden Markt gibt.

In der dritten Phase kommen Enttäuschungen zutage, da sich die hohen Erwartungen nicht rasch genug erfüllen wie erhofft. Die Berichterstattung beginnt deutlich negativer und kritischer zu werden. Der Technologie wird eine schwarze Zukunft vorhergesagt.

Darauffolgend setzen sich realistische Erwartungen durch. Man akzeptiert, dass nicht alle Ziele so schnell erreicht werden können wie man es sich durch die entstandene Euphorie erhoffte. Es entsteht ein vernünftiges Verhältnis zwischen dem praktischen Nutzen einer neuen Technologie und seinen Einschränkungen. Letztlich entwickelt sich die Technologie aber dann - nicht mehr im zentralen Fokus stehend - kontinuierlich weiter. In neuen Iterationen entstehen immer verlässlichere Produkte. Man lernt aus den Fehlern der Anfangsphasen. Sukzessive entwickelt sich die Technologie nun doch weiter, wenn auch nicht so schnell und rapide wie durch den ersten Technologiesprung vom Massenmarkt angenommen wurde.

Dieser Zyklus wiederholt sich bei neuen Technologien immer und immer wieder. Beispiele gefällig?

Man denke an das Internet, das dem anfänglichen Hype der Dotcom-Blase, die 2000 platzte, nicht gerecht wurde. Geht man etwas weiter in die Vergangenheit zurück, wurde bereits zunächst Anfang des 19. Jahrhundert die Dampflokomotive in einem unglaublichen Hype verehrt, nur um einige Jahre nach der Erfindung festzustellen, dass es sich zwar bei Lokomotiven um eine nette Idee handele, sie sich in der Praxis aber als völlig unbrauchbar erweisen würde.

Welche Probleme hat der VR Markt aktuell?

Mit voranschreitender Technologie hat sich der Anwender daran gewöhnt, dass Produkte heutzutage einfach und bequem bedienbar sein müssen. Im Optimalfall wird ein Gerät in die Hand genommen und ist sofort mit vollem Funktionsumfang anwendbar. Auf diese Art und Weise ist das Touch-Smartphone zu einem Alltagsgegenstand unserer Gesellschaft geworden.

Nun sind wir davon in der Virtual Reality noch ein gutes Stück entfernt. Die ersten HMDs waren umständlich anzuschließen und in Betrieb zu nehmen. Mehr oder minder waren sie durch den hohen technischen Aufwand den Experten vorbehalten, die sich Mühe machten, mit größeren Aufwand verbundene Installationsschritte durchzuführen, nach diversen Problemlösungen zu recherchieren und aufwendiges Anschließen und Aufstellen in Kauf zu nehmen.

Zudem war die Nutzer-Erfahrung zwar für den Profianwender akzeptabel, jedoch war die natürliche realistische Darstellung noch ein gutes Stück entfernt. Erste Systeme werteten lediglich die Kopfrotation aus, aber nicht die Bewegung im Raum. Das führte zu einer verstärkten Motion Sickness, also einem langsam sich aufbauenden Entstehen eines Übelkeitsgefühl im Magen des Anwenders. Das Ganze verband sich mit hohen Anschaffungskosten, dem Bedarf nach einem High End System, bei dem nicht sichergestellt war, ob sich jede Hardwarekomponente für VR eignet. Die visuelle Darstellung war zwar zunächst ein Wow-Effekt, jedoch sind diverse Probleme nicht außer acht zu lassen wie beispielsweise ein auftretender Fliegengittereffekt und eine überschaubare Auflösung, die das Lesen feiner Texte schwierig bis unmöglich machte.

Letztlich entstand zwar ein kurzfristiger Wow-Effekt - für einen alltäglichen Einsatz erschienen die Systeme aber noch nicht ausgereift.

Dennoch haben wir inzwischen die nächste Stufe erreichen können. Es gibt inzwischen VR-Systeme, die preislich erschwinglich geworden sind. Neben den Varianten, die weiterhin an einen High-End-PC angeschlossen werden, gibt es inzwischen VR-Brillen, die ohne Computer auskommen und stattdessen eigene Grafikhardware integriert haben.

Dann kommt noch hinzu: Die Auflösungen sind besser geworden, dadurch hat sich der Fliegengittereffekt reduziert und Texte sind besser lesbar geworden. Die Hersteller arbeiten inzwischen darauf hin, dass im Optimalfall eine VR-Brille aufgesetzt werden kann wie eine gewöhnliche Lesebrille.

Und: Nicht alle VR-Brillen unterstützen eine Bewegung des Anwenders im freien Raum. Einige von ihnen benötigen das Aufstellen sogenannter Leuchtturmsysteme zur Positionserfassung. Inzwischen gibt es aber auch Modelle, die rein über am Gehäuserand befestigte Weitwinkelobjektive die Bewegung des Anwenders im Raum zurückrechnen können.

Das Problem der Motion Sickness hat sich ebenfalls reduziert, wenngleich noch nicht komplett gelöst. Aber auch hieran wird gearbeitet. Und einige Prototypen von Hardwaregeräten, die leichte Vibrationen auf das Innenohr ausführen, scheinen erstaunliche Resultate zu erzielen, was die Reduzierung von Motion Sickness betrifft.

Letztlich erscheinen viele aktuell existente Probleme mit technischem Fortschritt und entsprechender Forschung lösbar. Einige davon haben sich bereits lösen können.

Warum sich Virtual Reality am Ende doch durchsetzt

Die Art und Weise wie wir uns heutzutage daran gewöhnt haben, Computersysteme zu bedienen - an einem rechteckig-förmigen zweidimensionalen Monitor mit Maus, Gamepad und Tastatur, entspricht nicht der natürlichen Art und Weise wie man Computeranwendungen begegnen möchte.

Wenn wir in einem Computerspiel in eine fiktive Welt reisen, hat es sich etabliert, die Bewegung der eigenen Spielfigur über WASD-Tasten auszuführen. Die Blicke in unterschiedliche Richtungen werden per Mausbewegung vollzogen. Außerdem betrachten die Welt, in der wir uns scheinbar befinden, von außen über ein Display.

Egal, ob wir eine Arbeit am Rechner verrichten und nach Informationen recherchieren oder ob wir uns in eine interaktive Geschichte hineinversetzen lassen. Es ist nicht die natürliche Art und Weise, Informationen zu erleben und mit ihnen zu interagieren. Sie hat sich in vielen langen und evolutionären Schritt als praktikabel erwiesen, wir haben uns daran gewöhnt und uns mit den Limitationen abgefunden, da technisch einfach nicht mehr Möglichkeiten bestanden.

Wenn wir beispielsweise eine Flugzeugsimulation starten, ist es völlig unnatürlich, diese an einem konventionellen Computersystem zu steuern.

Deutlich natürlicher wäre es, in einer Flugzeugsimulation in einem realen Cockpit zu sitzen oder wenn wir nach Astronomie Informationen im Internet recherchieren, uns nicht mit zweidimensionalen Fotografien begnügen zu müssen, sondern wie in Wirklichkeit zu den Sternen zu reisen.

All diese Möglichkeiten werden durch Virtual Reality erstmals greifbar. Auch wenn uns noch ein langer Weg bevor stehen mag und uns in vielen Anwendungsfällen noch eine sehr lange Zeit konventionelle Eingabe- und Visualisierungskomponenten als am praktikabelsten und am geeignetsten erscheinen, sind auf einmal viele neue Wege denkbar, die sich uns erst mit der Nutzung und Erfahrung erschließen.

Und wir stehen hierbei nicht am Ende des Weges, sondern am Anfang.